Zur Geschichte des Chors

Die Anfänge

Der Sankt-Martins-Chor Adligenswil wurde im Jahr 1911 unter dem Namen „Cäcilien-Verein Adligenswil“ gegründet. Initiiert wurde die Gründung vom damaligen Pfarrer, Alois Erni, und vom Organisten und Gemeindeschreiber Martin Pfenniger. Dass zur ersten Zusammenkunft ausschliesslich Männer eingeladen wurden, bedeutet nicht, dass im Chor keine Frauen mitgesungen haben. Denn bereits im Bericht vom ersten Ausflug, der noch vor der ersten Generalversammlung stattgefunden hat, ist von ihnen die Rede. Es handelte sich wohl grösstenteils um junge und jedenfalls unverheiratete Frauen. So beklagte sich Martin Pfenniger 1926 in seiner launigen Ansprache am Hochzeitsfest von Rudolf Müller und Phily Erni, dass Gott Amor der ärgste Feind des Vereins sei. Denn mit der Heirat traten die jungen Frauen aus dem Chor aus. Erst Klara Odermatt-Wespi, die spätere erste Präsidentin des Chors, blieb dem Verein auch nach ihrer Heirat 1952 treu.

Vermutlich hat schon vor 1911 ein Kirchenchor bestanden, der jedoch nicht formell als Verein organisiert war. Denn bei seinem Rücktritt als Chordirektor im Jahre 1939 wird Martin Pfenniger für 33 Jahre in diesem Amt geehrt, und 1945 erhielt er vom Kantonalverband ein Ehrendiplom für 43 Jahre. Ob er alle diese Jahre in Adligenswil tätig war, ist nicht bekannt. Ein Hinweis auf eine ältere Chortradition findet sich auch im Protokoll der Generalversammlung vom 22. November 1914. Fräulein Elisa Fries, Pfarrhof, also wohl die Pfarrhaushälterin, gibt ihren Rücktritt aus dem Chor bekannt und wird dafür gelobt, dass sie „viele Jahre“ ihre Stimme zum Lobe Gottes und zur Verschönerung des Gottesdienstes habe erklingen lassen. Sicher ist, dass es in Adligenswil schon seit langer Zeit Kirchenmusik gab. Denn schon in der Vorgängerkirche der heutigen, 1831 geweihten Pfarrkirche gab es eine Orgel.


Von 1965 bis 1999 hiess der Verein „Kirchenchor Adligenswil“, seit 1999 offiziell „St.-Martins-Chor Adligenswil“. Seit 2012 schreibt sich der Chor "Sankt-Martins-Chor Adligenswil".


Die Präsidenten und Präsidentinnen

Während mehr als 50 Jahren wurde der Chor vom Pfarrer präsidiert, erst von Pfarrer Alois Erni, nach dessen Tod 1935 von dessen Nachfolger Alfred Studer. Dieser starb im Dezember 1963. Die Vorstandsarbeit war bis 1933 eine reine Männerangelegenheit. 1933 wurde Louise Pfenniger (1909-1989), die Tochter des Chorleiters, als erste Frau im Vorstand zur Aktuarin gewählt.

Im Januar 1964 wurde mit Josef Hirschi-Kaufmann (1934-2001) erstmals ein Laie Präsident des Chors. 1968 wurde er abgelöst durch die erste Präsidentin, Klara Odermatt-Wespi (1928-2009). Sie übte das Amt bis 1979 aus. Ihr folgte Eliza Rogenmoser-Weber bis 1988. Anschliessend war Prisca Amrein-Zemp für zwei Jahre Präsidentin. Ihr folgte Marie-Rose Ley-Béchir. 1998-2002 stand nach 30 Jahren wieder ein Mann dem Verein vor: Peter Kälin. 2002-2011 leitete Verena Blum die Geschicke des Vereins. An der Jubiläumsgeneralversammlung vom 22. Januar 2011 wurde Corinne Rohner-Barbatti zur 10. Vorsitzenden des Vereins gewählt, im Zeichen der ökumenischen Offenheit erstmals eine Christin reformierten Glaubens.


Die Chorleiter

Die musikalische Leitung des Sankt-Martins-Chors lag bisher in den Händen der folgenden Chorleiter:

1911-1938

Martin Pfenniger (1879- 1957), Lehrer und Gemeindeschreiber, Adligenswil

1939-1963

Louis Köpfli (1913-1995), Lehrer, Adligenswil

1964-1971

Hans-Peter Steiner, Lehrer, Adligenswil

1971-1986

Herbert Ulrich, Dr. phil., Gymnasiallehrer und Dozent an der Akademie für Schul- und Kirchenmusik, Luzern

1986-1995

Heinz Mahlstein, Lehrer, Schenkon

1995-2010

Stephen Smith, Organist und Kirchenmusiker, Luzern

seit 2010

Josef Kost, Kirchenmusiker, Professor an der Musikhochschule Luzern

 

Die Chorarbeit

Über die Chorliteratur in den ersten Jahren sind in den Protokollbüchern keine Angaben erhalten. Im Bericht über das Vereinsjahr 1922 ist von ca. 70 Proben die Rede. In den Folgejahren waren es zum Teil noch mehr. Dazu kamen über 60 kirchliche Aufführungen. In späteren Jahren sind zum Teil weit über 100 kirchliche Aufführungen verzeichnet. Wohl von Anfang an war es üblich, bei Beerdigungen zu singen, eine Tradition die bis in die Neunzigerjahre aufrechterhalten wurde. Aktiv- und Passivmitglieder des Chors wurden bei ihrem Ableben mit einem Grabgesang geehrt. Neben der geistlichen Musik wurde auch der weltliche Gesang gepflegt. Es gab weltliche Konzerte, und der Chor beteiligte sich auch an Feiern und Festen anderer Vereine, wie an der Fahnenweihe der Musikgesellschaft im Jahre 1922.
Im Jahr 1925 wird von einer durch den kantonalen Cäcilienverband vorgeschriebene Vereinsaufgabe berichtet, die „so knapp“ gelöst worden sei. Es handelte sich dabei um die Nummern 10, 35, 53 und 93 aus dem Diözesangesangbuch sowie um eine Motette von Giovanni Croce, bearbeitet von A. Schaffhauser, „der sog. Schmare“.
In diesem Jahr wird erstmals auch eine Liste der Neuaufführungen überliefert:

  Grablied von Dietrich
Auferstehungsgesang von Bonif. Kühne
Kommunionlied von Ig. Mitterer
Marienlied und Messe zu Ehren der allerseligsten Jungfrau Maria von J. G. Stehler

Einen Einblick in die Dienste des Chors in der Kirche gibt eine Messe-Ordnung, die an der Generalversammlung des Jahres 1957 verabschiedet wurde:

 

1x im Monat soll eine neu einzustudierende Choralmesse erklingen.

1x pro Monat hält die Pfarrei Singmesse.

So bleiben noch 2 Sonntage für die vierstimmige festliche Messe. Ausnahmen für diese Neuordnung sind selbstverständlich Fest- & Feiertage.

Auch unter der Leitung von Louis Köpfli gab es immer wieder weltliche Konzerte im Rösslisaal, die meist auch mit Theaterstücken verbunden waren. Regelmässig trat der Chor bei der Bundesfeier am 1. August mit volkstümlichen Gesängen auf.

Einen ersten bedeutsamen Einschnitt in die Chorarbeit bedeutete die Liturgiereform nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil. Sie wurde in Adligenswil durch Pfarrer Johannes Amrein 1964-1967 zügig umgesetzt. Dies bedeutete, dass die lateinischen Messgesänge an Bedeutung verloren und das Volk mehr in den Gottesdienst einbezogen wurde, auch gesanglich. Der Chor gestaltete unter Hans-Peter Steiner Pfarreiabende mit. Ein Höhepunkt der Ära Steiner war die erstmalige Aufführung der Missa Pro Patria für Chor und Bläser von J. B. Hilber an Allerheiligen 1967. Als 1971 mit Herbert Ulrich ein professioneller Kirchenmusiker Dirigent wurde, führte er ein weitgehend neues, anspruchsvolles Repertoire von Werken aus dem Mittelalter bis in die Gegenwart ein. Es wuchs auf über 200 Titel an. Ganz der nachkonziliären Liturgie verpflichtet, verzichtete Herbert Ulrich konsequent auf die Aufführung von Orchestermessen, was nicht von allen Chormitgliedern verstanden wurde. Ulrichs Anliegen war es, eine liturgisch sinnvolle Kirchenmusik zu pflegen. Besonderes Gewicht hatten bei Herbert Ulrich Motetten a capella. Der Chor studierte bedeutende Werke von Heinrich Schütz und Johann Hermann Schein ein und erarbeitete sich mehrere Werke von Max Reger. Regelmässig fanden in der Pfarrkirche geistliche Konzerte statt, in unregelmässigen Abständen auch weltliche Konzerte. Dabei stach „Der Eheautomat“, ein musikalischer Spass von M. Koninski-Weiss heraus, der 1977 aufgeführt wurde. Unter Herbert Ulrich begleitete ein Bläserensemble der Feldmusik regelmässig den Chor. Eine fruchtbare Zusammenarbeit ergab sich auch mit der ortsansässigen Musikerfamilie Santora.

Unter Heinz Mahlstein wurde das Repertoire weiter gepflegt und ausgebaut. Heinz Mahlstein legte besonderen Wert auf einen schönen Chorklang. Der Chor wuchs auf seine Höchststärke von über 50 Mitgliedern. Zum 75-Jahr-Jubiläum des Chors wurde 1986 in der Arena des Schulhauses Obmatt eine Serenade mit bekannten Chorsätzen von der Renaissance bis zur Romantik und Schweizer Volksliedern dargeboten. Begeisterte Aufnahme fand die Aufführung der schönsten Melodien aus dem Musical „My fair Lady“ 1989 im Rahmen eines Pfarreiabends, eine Produktion, die 1993 eine Reprise erfuhr. 1991 gab der Chor in der Pfarrkirche ein Konzert anlässlich der 700-Jahr-Feier der Eidgenossenschaft. Aufgeführt wurde unter anderem eine eigens für das Konzert in Auftrag gegebene Komposition von Guido Fässler, ein Osterlied nach einem Text von Rudolf Otto Wiemer. Einen weiteren Höhepunkt der Ära Mahlstein stellte die Orgelweihe am 22. November 1992 dar. Am Festgottesdienst wurde eine von Erwin Mattmann für diesen Anlass komponierte Gottesdienstmusik für zwei Flöten, Violine, zwei Trompeten, zwei Posaunen, Pauken, Zelebrant, Chor, Gemeinde und Orgel mit dem Titel „Singt dem Herrn ein neues Lied“ aufgeführt.

1995 wurde mit dem gebürtigen Amerikaner Stephen Smith der erste Kirchenmusiker als Chorleiter und Organist angestellt, der ausschliesslich als professioneller Kirchenmusiker arbeitete. Neben dem Sankt-Martins-Chor leitete er die Matthäuskantorei in Luzern, die Cantori contenti in Zug sowie den einzigen professionellen Chor der Zentralschweiz, das Ensemble Corund. Für den Chor bedeutete die professionelle Leitung eine weitere Steigerung der künstlerischen Ansprüche. Das Repertoire wurde unter anderem angereichert um Chorliteratur aus dem angelsächsischen Raum. Die Zusammenarbeit mit andern von Stephen Smith geleiteten Chören erlaubte die Aufführung grosser Werke. So wurde im Jahr 2001 anlässlich des 90-Jahre Jubiläums des Chors zusammen mit dem Studiochor Luzern und dem Orchester Aceras in der Maihofkirche die Kantate „Saint Nicolas“ op. 42 von Benjamin Britten aufgeführt. Bereits ein Jahr später beteiligte sich der Chor an einer grossen Duruflé-Retrospektive zum 100. Geburtstag dieses bekannten französischen Komponisten des 20. Jahrhunderts, bei der an zwei Tagen in der Hofkirche das Gesamtwerk für Orgel und Chor aufgeführt wurde. Der Chor sang unter anderem das Requiem pour soli, choeurs, orchestre et orgue op. 9. Unter dem Titel „A Boy Was Born“ beteiligte sich der Sankt-Martins-Chor als Gastchor 2003 an einem grossen Weihnachtskonzert des Ensemble Corund im Konzertsaal des KKL in Luzern. Unter Stephen Smith entstand auch eine Vesper-Tradition.

Nach 15 Jahren erfolgreicher Tätigkeit trat Stephen Smith auf Ende September 2010 als Chorleiter zurück. Sein Nachfolger ist Josef Kost, Luzern, Komponist und Professor an der Hochschule Luzern, Musik.

 

Die Geselligkeit

Gross geschrieben wurde von Anfang an die Geselligkeit. Regelmässig wurden Ausflüge durchgeführt, auf denen auch ordentlich gegessen und gebechert wurde. Waren es anfangs eintägige Ausflüge in die nähere und weitere Umgebung von Luzern, wurden später zweitägige Ausflüge durchgeführt, von denen vor allem aus der Ära Steiner zahlreiche Anekdoten überliefert wurden.

Besonders gepflegt wurde der Unterhaltungsteil der jährlichen Generalversammlung. Legendär waren die Schnitzelbänke, welche die ausgewanderte Baslerin Doris Lüthi jeweils an den Generalversammlungen vortrug. 1998 wurde eine neue Tradition ins Leben gerufen. Jedes Jahr wird seither der gesellige Teil der Generalversammlung von einer Stimme organisiert. In den folgenden Jahren wetteiferten die vier Stimmen darum, wem es gelänge das originellste und unterhaltsamste Programm zu organisieren.

Seit 1973, als die Adligenswiler Kirchweihfest am ersten Septembersonntag erstmals von den ansässigen Vereinen organisiert wurde, unterhält der Chor einen Magenbrotstand und betreibt ein Glücksrad. Die Chilbi gehört damit zu den wichtigsten Einnahmequellen des Chors.

1992 wurde in Adligenswil erstmals eine neue Fasnachtsveranstaltung organisiert, die zur Tradition werden sollte: der „rüüdige Samschtig“. Der Chor betrieb an diesem Anlass im Velokeller des Schulhauses Obmatt ein Grotto carnevale, das jeweils mit Malereien von Robert Rogenmoser, dem Gatten der Präsidentin des Chors 1979-1988, dekoriert wurde. Als Helferfest wurde alljährlich der „rüüdige Frass“ organisiert, an dem der legendäre Risotto von Kurt und Susanna Schmidli serviert wurde. Der rüüdige Frass wird bis heute abgehalten, auch nachdem sich der Chor vom Grotto-Betrieb zurückgezogen hat.


Hans Hirschi